BGH: Anspruch eines adoptierten Kindes gegen seine leibliche Mutter auf Auskunft über die Identität des leiblichen Vaters

Eine leibliche Mutter ist auch nach einer Adoption ihrem Kind grundsätzlich zur Auskunft über die Identität des leiblichen Vaters verpflichtet.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Auskunft ist die Bestimmung des § 1618 a BGB, nach der Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schuldig sind. Auch wenn die Vorschrift keine konkreten Sanktionen bei einem Verstoß vorsieht, können Eltern und Kindern aus ihr wechselseitig Rechtsansprüche erwachsen. Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates, der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen vor der Vorenthaltung verfügbarer Informationen über die eigene Abstammung bei der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Betroffenen angemessen Rechnung zu tragen. Dies ist bei der Auslegung des § 1618 a BGB zu berücksichtigen, zumal der Gesetzgeber einen Auskunftsanspruch nicht ausdrücklich normiert hat. Anders als beim Anspruch des sog. Scheinvaters gegen die Kindesmutter auf Auskunft über die Identität des leiblichen Kindesvaters, für den das Bundesverfassungsgericht einer Herleitung aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Absage erteilt und eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage gefordert hat, geht es hier nicht allein um die Durchsetzung finanzieller Interessen. Vielmehr wird mit dem Auskunftsanspruch eine Rechtsposition von ganz erheblicher verfassungsrechtlicher Bedeutung, nämlich das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, gestärkt.

Dass die leibliche Mutter wegen der Adoption der Antragstellerin und dem aus § 1755 Abs. 1 Satz 1 BGB folgenden Erlöschen des rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnisses aufgrund Adoption nicht mehr die rechtliche Mutter des Kindes ist, steht dem Anspruch nicht entgegen. Denn das Auskunftsschuldverhältnis zwischen Kind und Mutter ist vor der Adoption entstanden. Würde man dies anders sehen, würde die Adoption hinsichtlich des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu einer nicht gerechtfertigten Schlechterstellung gegenüber Kindern führen, deren rechtliche Eltern-Kind-Beziehung zu ihrer leiblichen Mutter fortbesteht.

Az XII ZB 183/2

Beschluss vom 19.01.2022

BGH-Pressemitteilung


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